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Juli 2020
Windhoek, Namibia

Der Umgang mit Vertrauen und Angst

Zu Beginn und während unserer Reise wurden oftmals Fragen und Aussagen an uns gerichtet wie: «Ohne Malaria-Prophylaxe würde ich da aber nicht hingehen», «Das ist doch gefährlich mit dem Zika-Virus!», «Afrika? Ist das sicher?», «Lasst euch ja nichts klauen!», «Und was macht ihr, wenn ihr einen Arzt braucht?».
Wir würden lügen, wenn wir sagen, dass wir vor dieser Reise keine Zweifel und Ängste hatten. Was brauchen wir für Versicherungen? Welche Krankenversicherung ist für eine solange Zeit gültig im Ausland? Wie krank werden wir, wenn wir über ein halbes Jahr Malaria-Prophylaxe schlucken? Welche Vorsorgeimpfungen sind nötig?
Vor unserer Abreise haben wir uns gesagt, dass wir uns nach gründlichem Informieren bei allem bewusst dafür oder dagegen entscheiden. Ja, für kurze Reisen nach Afrika ist eine Malariaprophylaxe sinnvoll, aber bei mehr als 6 Monaten sind die Nebenwirkungen unbekannt, was uns zu einem bewussten Verzicht der Prophylaxe bewogen hat. Und trotzdem haben wir uns über eine allfällige Malariaerkrankung informiert und das entsprechende Notfallmedikament dabei. Oft sind es Diskussionen und anschliessende Entscheide wie dieser, der uns die Angst nimmt und uns dadurch Sicherheit gibt. Eine Garantie dafür gibt es nicht, aber oft lässt sich so vieles auf ein Restrisiko minimieren, das wir schlussendlich bewusst eingehen, um uns den Wunsch einer langen Afrikareise zu ermöglichen. Die meisten unserer Ängste konnten wir so schon vor unserer Abreise besprechen und diese kamen somit erst gar nicht mit uns nach Afrika.
Auf der Reise selbst haben wir uns den Gegebenheiten des Landes angepasst. Orte, an denen Einheimische Vorsicht walten lassen, haben auch wir nur in Begleitung von Ortskundigen besucht. Oft haben wir unserem Bauchgefühl vertraut und so bei einem unguten Gefühl ein Taxi nicht bestiegen oder eine andere Strasse eingeschlagen. Manchmal war es nötig «nein» zu sagen, um aus einer unbehaglichen Situation zu kommen. So haben wir uns vorgenommen, dass wir das Fahrzeug eines rasenden Fahrers verlassen und sei es, dass wir zwei Stunden am Strassenrand auf das nächste warten mussten. Schlussendlich ist uns dies in fast anderthalb Jahren nur ein bis zwei Mal passiert.
Viel öfters hatten wir mit der Angst durch das veraltete und doch präsente Bild von Afrika zu kämpfen. «Afrika ist doch der Kontinent mit all den schlimmen Krankheiten und ohne Trinkwasser». Ja, körperliche Krankheiten wie Malaria, Typhus oder HIV sind hier vermehrt vorhanden und ja, die ärztliche Versorgung ist nicht flächendeckend vorhanden wie in der Schweiz. Gerne zelebrieren die Medien diese Bilder in den westlichen Medien, doch geht es uns in der Schweiz wirklich besser? Psychische Erkrankungen wie Depression, Existenz- oder Versagensängste sind hier wenig vorhanden und Burnout kennt keiner. Suizidzahlen sind um ein x-faches tiefer als in der Schweiz. Ja, in Europa werden Menschen älter als in Afrika, aber zu welchem Preis? Dies geht soweit, dass wir mittlerweile mit mehr Ängsten bezüglich des Leistungsdrucks des globalen Nordens zurückkehren, als alle anderen Ängste zusammen, die wir hier je erfahren haben. Die Menschen gehen mit einer grundlegenden Gelassenheit durch Leben, obwohl ihre Lebensumstände wesentlich prekärer sind als die unseren.
Die Menschen hier haben ihre eigenen Bilder von Europa. In Sambia wurden wir von jungen Männern gefragt, ob es stimmt, dass wir ältere Menschen «gemeinsam in Häuser stecken». Altersheime sind im östlichen und südlichen Afrika nicht vorhanden, ja sogar absolut unvorstellbar für die Menschen. Wie können wir nur so lebenserfahrene Menschen einfach aus der Familie geben. Einer der jungen Männer meinte, dass er viel Zeit seiner Kindheit mit den Grosseltern verbracht habe und dadurch viel gelernt hat. Auch Erklärungen, dass die älteren Menschen dort Beschäftigung haben, verwirrte die Einheimischen. Der Vorstellung, dass sie irgendwann getrennt von ihrer Familie leben, blicken sie mit Ängsten entgegen.
Das bewusste Abwägen der Risiken schon vor der Abreise war für uns wichtig. Rückblickend war jedoch viel zentraler, dass wir Vertrauen in unseren Weg hatten, uns immer wieder hinterfragt haben, ob sich die Reise immer noch gut anfühlt und langsam unterwegs waren. Wir haben immer wieder vertraut: in uns, in unbekannte Menschen und in die Langsamkeit. So haben sich viele neue Freundschaften in den unterschiedlichsten Ländern ergeben. Unzählige Male haben wir gemeinsam gelacht, diskutiert, gekocht, oder schöne Momente genossen. All diese Erlebnisse und neuen Erfahrungen haben uns immer wieder von neuem Mut gegeben und uns auf der Reise bestärkt, so weiter zu machen und so weiter zu gehen. Wir würden jeder Zeit wieder den schweizerisch-behüteten Alltag hinter uns lassen und uns in ein neues Abenteuer stürzen.