30. Mai 2019
Harar, Äthiopien
Harar, Äthiopien
Harar - Eintauchen in eine andere Welt
Harar ist im Gegensatz zum restlichen Äthiopien eine andere Welt. Schon beim ersten Betreten der Altstadt Jugol ist der alte arabische, islamische Einfluss nicht zu übersehen. Die Altstadt ist ähnlich einer europäischen Altstadt, nur dass die Gassen noch enger und verwinkelter sind, so dass diese nur zu Fuss durchquert werden können. Als wir vor unserer Ankunft in Harar erfahren hatten, dass Ramadan ist, waren wir umso mehr überrascht, wie lebhaft es in der Stadt zu und her ging. Während wir vor acht Jahren in Stone Town auf Sansibar in Tansania eine völlig ausgestorbene Stadt vorfanden, lebte Harar mit seinen Märkten, Cafés und fliegenden Händler. Um noch etwas mehr in diese Welt eintauchen zu können, übernachteten wir fast eine Woche bei einer Gastfamilie in der Altstadt. Ein älteres Ehepaar führte das Guesthouse. Die Frau koordinierte das Ganze und kümmerte sich liebevoll um die Gäste, während der Ehemann ein zurückhaltender und völlig zufriedener Mann im Haus war. Zudem war zu dieser Zeit ebenfalls der Bruder der Besitzerin, Salah, zu Besuch, der sehr gutes Englisch sprach. Aufgrund des Ramadans gab es jeweils am Morgen kein Frühstück, so dass wir im herzigen Café Memory fündig wurden und jeweils eine ägyptische Spezialität «Foul» bestehend aus grossen Bohnen, Tomaten und Zwiebeln mit Brot genossen. Wenn am Abend die Sonne am Horizont verschwand, änderte sich das Bild auf der Strasse nochmals. Die muslimische Bevölkerung verköstigte sich dann an den unzähligen Ständen der fliegenden Händler oder setzte sich in eines der zuvor noch leeren oder geschlossenen Cafés. In unserem Guesthouse wurden nach Sonnenuntergang im Aufenthaltsraum diverse Speisen in die Raummitte gestellt und mit den Händen oder einem Löffel gegessen. Selbstverständlich waren alle Gäste dazu eingeladen. Im Anschluss servierte die Haushälterin in einer traditionellen Kaffeezeremonie allen Gästen starken, schwarzen Kaffee aus selbstgerösteten Bohnen, der zuvor über einem Kohleherd in einem Tonkrug erhitzt wurde. Da es eine traditionelle Zeremonie war, wurden allen Gästen drei Kaffees à la Espresso serviert. Zu späterer Stunde begannen die Männer Khat zu kauen/essen und dabei fleissig zu diskutieren. Aus Neugier probierten wir auch davon. Khat kann an jeder Ecke in Harar und fast ganz Äthiopien in Form von Büscheln gekauft werden. Überall ausserhalb von Harar wird der Khat-Strauch kultiviert. Die Wirkung ist mit derjenigen von Coca-Blätter aus den Anden in Südamerika oder grossem Koffeinkonsum von beispielsweise Kaffee vergleichbar. An diesen Abenden führten wir mit Salah, seiner Familie und den Freunden, die sie besuchten viele interessante Gespräche. Während dem Nachtessen und auch danach ist es in Äthiopien ganz normal seine Freunde und andere Familienmitglieder anzurufen und das Telefon allen Anwesenden weiterzugeben. So kam es, dass ich (David) plötzlich mit dem Bruder von Salah in Deutschland telefonierte. Tagsüber spatzierten wir häufig durch die Gassen der Altstadt. Zum Glück waren wir während des Ramadans hier, denn die Menschen von Harar streichen jeweils vor dieser Zeit ihre Häuser neu, so dass die Gassen der Stadt wunderschön farbig für deren Besuchende erstrahlen. An einem anderen Tag fuhren wir zusammen mit zwei Australier zum Kamelmarkt in Richtung Djibouti. Sabrina habe ich am Kamelmarkt nicht verkauft, aber schon mal ein paar Offerten eingeholt (@Kurt: Offerten sind unterwegs zu dir). Die Menschen am Kamelmarkt waren allesamt enorm stolze Menschen und sowohl Frauen als auch Männer handelten miteinander.
Auf dem Rückweg fuhren wir an einem Flüchtlingslager vorbei, bei dem viele Familien improvisierte Zelte aus Holz, alten Planen und zerfetzten Kleidern zusammen bastelten. Auch war ein Zelt der UN respektive deren Unterorganisation WFP (World Feeding Program) zu sehen, wo Mahlzeiten und Nahrungsmittel an die dort lebenden Menschen ausgegeben werden. Es ist beschämend zu sehen, wie wir uns in der Schweiz, Europa oder Amerika über einige Flüchtlinge aufregen oder sogar Hass entwickeln und jedoch der allergrösste Teil der Flüchtlinge sich innerhalb ihres Landes oder deren direkten Nachbarländern in Sicherheit bringen.
Etwas weiter auf der Rückfahrt entdeckten wir eine andere kuriose Szene: Im tiefen Strassengraben standen einige Männer um ein altes Kamel, das in den Strassengraben gestürzt war und nun nicht mehr aus eigener Kraft aufstehen konnte. Das Kamel sah alt aus und brüllte aus Leibeskräften (leider können wir das Geräusch hier nicht nachmachen). So wurden zwei Holzstangen unter den Körper des Kamels geschoben und mit vereinten Kräften inklusive dem Australier und mir aufgestellt.
Bei einem unserer Altstadt-Spaziergänge hatten wir eine interessante Diskussion mit dem Besitzer eines Süssigkeitenladens. Dieser lebte schon früher für vier Jahre als Flüchtling in Indonesien und kehrte anschliessend zurück nach Äthiopien. Warum er wieder in Äthiopien war, konnten wir ihm nicht entlocken, aber sein Wunsch dieses Mal nach Deutschland als Flüchtling zu gehen, war unheimlich gross. Besorgniserregend für uns waren seine völlig verzerrte Wahrnehmung von Deutschland respektive Europa. So war er davon überzeugt, dass er nach seiner Ankunft in Deutschland eine gut bezahlte Arbeit und ein sorgenfreies Leben haben wird. Dass während der Überfahrt so viele Menschen sterben, war ihm klar. Aber dies sei eben eine fifty-fifty-Chance. Das Europa für ihn ein Traumland ist, kann ich gut verstehen. Dass hingegen alles so einfach einem zufliegt, ungefährlich ist und die Abschiebungsmöglichkeit vorhanden ist, konnten wir ihm kaum verständlich machen.
Alles in Allem war der Besuch in Harar ungemein bereichernd und zeigte nochmals ein völlig anderes Gesicht von Äthiopien.
Auf dem Rückweg fuhren wir an einem Flüchtlingslager vorbei, bei dem viele Familien improvisierte Zelte aus Holz, alten Planen und zerfetzten Kleidern zusammen bastelten. Auch war ein Zelt der UN respektive deren Unterorganisation WFP (World Feeding Program) zu sehen, wo Mahlzeiten und Nahrungsmittel an die dort lebenden Menschen ausgegeben werden. Es ist beschämend zu sehen, wie wir uns in der Schweiz, Europa oder Amerika über einige Flüchtlinge aufregen oder sogar Hass entwickeln und jedoch der allergrösste Teil der Flüchtlinge sich innerhalb ihres Landes oder deren direkten Nachbarländern in Sicherheit bringen.
Etwas weiter auf der Rückfahrt entdeckten wir eine andere kuriose Szene: Im tiefen Strassengraben standen einige Männer um ein altes Kamel, das in den Strassengraben gestürzt war und nun nicht mehr aus eigener Kraft aufstehen konnte. Das Kamel sah alt aus und brüllte aus Leibeskräften (leider können wir das Geräusch hier nicht nachmachen). So wurden zwei Holzstangen unter den Körper des Kamels geschoben und mit vereinten Kräften inklusive dem Australier und mir aufgestellt.
Bei einem unserer Altstadt-Spaziergänge hatten wir eine interessante Diskussion mit dem Besitzer eines Süssigkeitenladens. Dieser lebte schon früher für vier Jahre als Flüchtling in Indonesien und kehrte anschliessend zurück nach Äthiopien. Warum er wieder in Äthiopien war, konnten wir ihm nicht entlocken, aber sein Wunsch dieses Mal nach Deutschland als Flüchtling zu gehen, war unheimlich gross. Besorgniserregend für uns waren seine völlig verzerrte Wahrnehmung von Deutschland respektive Europa. So war er davon überzeugt, dass er nach seiner Ankunft in Deutschland eine gut bezahlte Arbeit und ein sorgenfreies Leben haben wird. Dass während der Überfahrt so viele Menschen sterben, war ihm klar. Aber dies sei eben eine fifty-fifty-Chance. Das Europa für ihn ein Traumland ist, kann ich gut verstehen. Dass hingegen alles so einfach einem zufliegt, ungefährlich ist und die Abschiebungsmöglichkeit vorhanden ist, konnten wir ihm kaum verständlich machen.
Alles in Allem war der Besuch in Harar ungemein bereichernd und zeigte nochmals ein völlig anderes Gesicht von Äthiopien.